Der Klassenrat / Zeit für uns (Zfu)
Der Klassenrat, bekannt auch unter dem Begriff „Zeit für uns“ (Zfu), stellt einen bewährten basisdemokratischen Ansatz dar, mit dem Partizipation in der Schule realisiert werden kann. Er hat zum Ziel, möglichst alle Schülerinnen und Schüler in Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubinden, und bietet einen Rahmen, in dem sämtliche Belange von Unterricht und Schulleben offen thematisiert werden können. Mithilfe des Klassenrats nehmen die Kinder und Jugendlichen ihre Schule deshalb als einen Raum wahr, der aktiv von ihnen mitgestaltet werden kann und soll. Im Klassenverband diskutieren, beraten und entscheiden sie gemeinsam über selbst gewählte Inhalte, Regeln und Maßnahmen. Sie erleben so im direkten Austausch miteinander, dass demokratische Entscheidungen immer auch Aushandlungsprozesse darstellen und häufig mit einem Kompromiss enden. Wie die Umsetzung des Klassenrats bzw. der Zfu-Stunden konkret erfolgt, entscheidet jede Schule in eigener Verantwortung. Jede Klasse sollte aber die Möglichkeit erhalten, ihren Klassenrat den individuellen Gegebenheiten anzupassen und eigene Regeln und Verfahren festzulegen. Da es kein allgemeingültiges Format „Klassenrat” gibt, sind die folgenden Aspekte lediglich als Anregungen für die konkrete Umsetzung vor Ort zu verstehen.
- Ein Klassenrat sollte regelmäßig stattfinden und einen festen Platz im Stundenplan der entsprechenden Klasse einnehmen. Es empfiehlt sich, bis zur 7. Jahrgangsstufe den Klassenrat wöchentlich stattfinden zu lassen. In höheren Jahrgangsstufen kann der Turnus weiter gefasst werden.
- Damit ausreichend Zeit für die Auseinandersetzung mit den gewählten Themen zur Verfügung steht, sollte mindestens eine Unterrichtsstunde eingeplant werden.
- Der Klassenrat sollte einem festen Ablauf folgen und klar definierten (Gesprächs-)Regeln unterliegen. Diese sind von den Schülerinnen und Schülern - altersgerecht - mitzubestimmen bzw. zu entwickeln. Besonders älteren Schülerinnen und Schülern sollte die Möglichkeit zur Weiterentwicklung der Regeln eingeräumt werden.
- Um einen gegenseitigen Blickkontakt zu ermöglichen, empfiehlt sich die Durchführung des Klassenrats im Sitzkreis.
- Die Tagesordnung sollte während der Woche durch Eintragungen in eine ausgehängte Liste/Wandzeitung oder ein Buch zusammengetragen und festgelegt werden. Empfehlenswert ist die Unterteilung der Liste in Kategorien, wie „Ich lobe …“, „Ich kritisiere … und „Ich wünsche mir …“. Die Eintragungen können von allen Mitgliedern der Klassengemeinschaft (Lernende wie Lehrende) vorgenommen werden und werden mit Namen gekennzeichnet.
- Mithilfe von z. B. halbjährlichen Evaluationen lässt sich die Wirksamkeit der Klassenratssitzungen überprüfen.
Grundsätzlich ist er für nahezu jedes Alter geeignet. So ist der Klassenrat bei ausreichender Vorbereitung auch in der Primarstufe einsetzbar. Entscheidend ist dabei weniger das Alter der Kinder, sondern v. a. eine demokratiepädagogische Haltung der Klassenleitung. Es empfiehlt sich zunächst schrittweise einen Morgenkreis mit den Schülerinnen und Schülern einzuüben, auf den dann der Klassenrat aufbauen kann.
Die Leitung bzw. Moderation und inhaltliche Gestaltung des Klassenrats sind dem jeweiligen Altersniveau und der jeweiligen Lerngruppe anzupassen.
Der Klassenrat ermöglicht den Schülerinnen und Schülern mitzudenken, mitzuentscheiden und Verantwortung mit zu übernehmen. Wird das Instrument des Klassenrates mit der nötigen Sorgfalt und Ernsthaftigkeit geführt, kann er zum „Herzstück" einer demokratischen Schule werden.
Bei der Arbeit mit dem Klassenrat werden u. a. folgende Ziele angestrebt:
- Förderung von Sozialkompetenzen wie z. B. Empathiefähigkeit, Selbst-/Fremdwahrnehmung, wertschätzender und respektvoller Umgang miteinander, Achtung der Meinung anderer,
- Genauigkeit bei der Formulierung der eigenen Meinung oder des persönlichen Anliegens,
- Zu anderen frei sprechen und verstehend zuhören und Beachtung einer gewaltfreien Kommunikation mit bewusster Unterscheidung von „Ich- und Du-Botschaften",
- Formulierung von stichhaltigen Argumenten,
- Erkennen und Lösen von Konflikten und Beachtung einer friedlichen Konfliktlösung,
- Entwicklung eines selbst zu gestaltenden Gremiums,
- Gesprächsführung und Protokollierung.
Der Klassenrat sollte in einer ritualisierten Form in allen Klassen stattfinden. Es liegt in der Verantwortung der Schulleitung, wesentliche Rahmenbedingungen wie Zeit und Raum dafür zu schaffen:
Turnus des Klassenrats
Bis zur 7. Klasse empfiehlt es sich, den Klassenrat wöchentlich stattfinden zu lassen, denn
- eine angemessene Gesprächskultur entwickelt sich nicht von selbst. Sie muss eingeübt werden,
- soll der Klassenrat Raum zum Austragen von Konflikten geben, sollten diese zeitnah besprochen werden. Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, eine gewisse zeitliche Verzögerung hinzunehmen, wenn sie verlässlich wissen, wann ihr Thema behandelt werden kann.
Zeitpunkt und Raum des Klassenrates
Empfehlenswert ist v. a. eine feste Verankerung des Klassenrats im Stundenplan. Im Idealfall wird der Klassenrat aller Klassen, zumindest einer Jahrgangsstufe, parallel gesetzt. Somit können ggf. auch Vertreter aus anderen Klassen bei Gesprächsbedarf eingeladen werden. Auch lassen sich z. B. klassenübergreifende Projekte auf diese Weise besser planen. Über den jeweiligen Tag entscheidet die Schule, bewährt haben sich in Modellversuchen Freitage und Montage.
Der Klassenrat findet i. d. R. als Sitzkreis im Klassenraum statt. Die kreisförmige Sitzordnung symbolisiert die Gleichberechtigung in der Gemeinschaft, bei der jedes Mitglied gleiches Stimmrecht hat und gemeinsame Anliegen behandelt werden. Außerdem erleichtert das Nebeneinandersitzen auch Methoden, wie z. B. das „Blitzlicht", bei denen alle reihum zu Wort kommen. Wird der Aufbau des Sitzkreises mit den Schülerinnen und Schülern geübt, sollte der Umbau schnell und leicht von der Hand gehen.
Die Lehrkraft sollte spätestens im dritten Schuljahr als „normales“ Mitglied der Klassengemeinschaft an der Versammlung teilnehmen. Die allerersten Klassenratssitzungen wird sie noch moderieren müssen, um den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, am Modell zu üben. Spätestens ab der vierten Klassenratssitzung sollte der Vorsitz von den Schülerinnen bzw. Schülern selbst übernommen werden. Die Lehrkraft tritt dann zurück und hilft ggf. bei der Ausübung der verschiedenen Rollen. Am Anfang kann es sinnvoll sein, feste Strukturen vorzugeben. Nach und nach sollte die Klasse dann aber für ihren Klassenrat eigene Vorstellungen zur Umsetzung entwickeln und anwenden.
Wichtig ist die Festlegung von Ämtern zur Leitung und Strukturierung des Klassenrates. Diese werden von den Schülerinnen und Schülern selbst übernommen. Es kann bis zu fünf Ämter geben:
- Vorsitzende/Vorsitzender des Klassenrates (Aufgaben u. a. Moderation des Gesprächs, Gesprächsanteile gerecht zuweisen, Lösungsfindungen einleiten),
- Protokollantin/Protokollant (Aufgaben u. a. Anfertigen eines aussagekräftigen Protokolls zur Schaffung von Verbindlichkeit),
- Regelwächter (Aufgaben u. a. Einhaltung der Gesprächs- und Umgangsformen, Maßregelung bei Störungen),
- Vorleserin/Vorleser der Anliegen: diese Aufgabe übernimmt in den ersten beiden Schuljahren häufig noch die Lehrkraft.
- Zeitwächterin/Zeitwächter (Aufgaben u. a. Einhaltung der vereinbarten Zeiten).
Für jedes Amt sollte auch eine Vertretung bestellt werden.
In älteren Jahrgangsstufen können die Aufgaben der „Wächterämter” durch Vorsitzende und Protokollant übernommen werden.
Es empfiehlt sich, die Ämter zunächst einige Wochen stabil zu belassen. Gerade die Leitungsrolle stellt eine Herausforderung insbesondere für jüngere Schülerinnen und Schüler dar und muss erst einmal gelernt werden. Nach ein paar Wochen sollten die Ämter dann rotieren, sodass jedes Mitglied des Klassenrates im Schuljahr die Möglichkeit erhält, die mit dem Amt verbundenen Aufgaben zu üben.
- Zu Beginn der Sitzung kommen die Schülerinnen und Schüler mit ihren Stühlen in den Sitzkreis. Empfehlenswert ist eine Ruheminute, in der sich die Anwesenden sammeln.
- Es folgt die Begrüßung und Eröffnung der Klassenratssitzung durch die Vorsitzende/den Vorsitzenden.
- Die Anwesenheit wird z. B. mittels einer vorgedruckten Namensliste bestätigt, die Liste wird dem Protokoll beigefügt.
- „Gefühls-Blitzlicht" oder Anerkennungsrunde: Denkbar ist es, den Klassenrat mit einem Blitzlicht zu beginnen, in dem jeder kurz zum Ausdruck bringen kann, wie es ihr/ihm geht. Dazu reicht ein Satz: „Ich fühle mich gut/schlecht, weil ..." Sobald der Satz beendet wurde, wird der Gesprächsball an die Nachbarin/den Nachbarn weitergegeben, während man ihn fragt: „Wie geht es dir?". Am Ende dieses Blitzlichtes hatte jedes Kind einen ersten kurzen Redebeitrag und konnte sein Befinden äußern. In der Variante der Anerkennungsrunde sagen die Kinder etwas Positives über sich oder wertschätzen ein anderes Kind. Die Methode dazu kann z. B. aus einer zur Verfügung gestellten Methodenkiste gelost werden.
- Je nach Bedarf können Informationsberichte einfließen und vorgetragen werden, sodass alle Anwesenden den gleichen Sachstand haben.
- Dann erfolgt die Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung und Überprüfung, ob Beschlüsse korrekt formuliert und eingehalten worden sind, ob ggf. Tagesordnungspunkte erneut aufgegriffen werden müssen, da die Umsetzung nicht (in gewünschtem Maß) erfolgt ist.
- Evtl. wird ein Ämterwechsel vorgenommen.
- Im weiteren Verlauf erfolgt das Vorlesen und Abarbeiten der einzelnen Anliegen, sortiert nach Dringlichkeit. Die Besprechung eines Themas endet mit konkreten „Arbeitsschritten" oder „Aufgaben/Aufgabenzuweisungen", die notwendig sind, um das Vorhaben umzusetzen. Sämtliche Beschlüsse werden dabei als Ergebnisse ins Protokoll geschrieben.
- Abschließend erfolgt eine Abschlussrunde, in der jede Schülerin/jeder Schüler die Möglichkeit erhält, sich auf das Besprochene zu beziehen, z. B. mit dem Satz „Ich merke mir ..." - Beendigung der Klassenratssitzung durch die Vorsitzende/den Vorsitzenden.
- Der Klassenrat löst sich mit dem gemeinsamen Aufräumen auf.
Die Inhalte orientieren sich an den Wünschen der Schülerinnen und Schüler. Dazu sammeln sie ihre inhaltlichen Vorschläge für die Tagesordnung des Klassenrats schon ein paar Tage vorher, z. B. in Form einer Wandzeitung. Die Beiträge sollten personalisiert erfolgen, sodass ggf. nachgefragt werden kann. Auch sollten die Heranwachsenden lernen, ihre Meinungen und Wünsche offen zu vertreten.
Denkbare Inhalte für den Klassenrat sind z. B. die Gestaltung des Unterrichts (Mitsprache bei der Wahl von Themen, methodische Zugänge, Arbeitsformen), das soziale Miteinander auf Klassen- bzw. Schulebene zu gestalten, z. B. Planung eines Ausflugs, Organisation der Klassendienste oder Ideen für die Schulhausgestaltung, aber auch persönliche Anliegen zwischen den Teilnehmenden der Versammlung. Je nach Altersstufe können aber im Klassenrat auch einmal gesellschaftspolitische Themen behandelt werden, die die Schülerinnen und Schüler bewegen.
Weitere Ideen für den Unterricht - wo finde ich was?
Es gibt im Internet zahlreiche Materialien, die kostenlos oder gegen eine geringe Schutzgebühr für einen politisch bildenden Unterricht genutzt werden können. Im Folgenden finden Sie eine Auswahl von Produkten mit einer Kurzbeschreibung der Materialien und dem entsprechenden Link.
Die folgenden Materialien möchten Sie bei der Durchführung von Klassenratssitzungen unterstützen. Es handelt sich um Vorlagen, die von einem Arbeitskreis-Mitglied des ISB „Arbeitskreis Politische Bildung" erstellt wurden.
Vorlage „Ablaufplan Klassenrat"
Vorlage: Ämterkarte „Zeitwächer Klassenrat"
Vorlage Ämterkarte „Gesprächsleitung und Assistenz Klassenrat"
Vorlage „Anregungen und Kritik - Mein Anliegen an den Klassenrat"
Vorlage „Inhalte und Ergebnisse - das Klassenratsprotokoll"
Beispiel für mögliche „Verhaltensregeln im Klassenrat"
Checkliste: „Materialien für den Klassenrat"
Checkliste: „Vorbereitung des Klassenrates für die Lehrkraft"
Die DeGeDe-Initiative sieht im Klassenrat ein basisdemokratisches Mitbestimmungsinstrument für Kinder und Jugendliche in Schulen. Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrkräfte stimmen gleichberechtigt ihre Anliegen, Probleme sowie Klassenprojekte bzw. überfachliche Projekte ab und diskutieren im Klassenrat über alles, was allen am Herzen liegt - auch tagespolitische Ereignisse sowie gesellschaftliche Herausforderungen.
Im Rahmen der Initiative wurden umfangreiche Materialien entwickelt, die den Schülerinnen und Schülern bei der Einführung des Klassenrats helfen, ihr Handeln zu ritualisieren und die Lehrkräfte unterstützen ihr Rolle als gleichberechtigtes Klassenratsmitglied zu finden.
Anbieter: DeGeDe Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V.
Download der Broschüre: „Klassenrat - Wir sind Klasse!"
Diese Materialien sowie weitere Informationen und hilfreiche Handreichungen stehen im DeGeDe-Shop käuflich oder als Download zur Verfügung.
Das ISB bietet in seinem Themenportal Inklusion speziell entwickelte Downloadmaterialien zum Klassenrat an Föderschulen.
Zum Angebot: http://www.inklusion.schule.bayern.de/unterricht_entwicklen/soz_lernen/
Die BpB bietet auf ihrer Webseite kostenlose Informationen und Downloads zum Klassenrat aus dem Projekt VorBild – Politische Bildung für Förderschulen an.
Zum Angebot: http://www.bpb.de
Weiterführende Informationen
Der Aufsatz „Der demokratiepädagogische Klassenrat" von Josef Blank, S. 107-113 fasst zusammen, was einen demokratiepädagogischen Klassenrat in seinem Kern ausmacht und welche Merkmale für seinen Erfolg konstituierend sind.
Die Webseite www.smv.bayern.de enthält zusammenfassende Informationen zum Klassenrat.